Beschreibung
„Die Botondbriefe vermitteln einen grandiosen Reichtum einer Beziehung, aus der diese Frau offenbar schließlich fliehen hat müssen.“
Dr. Peter Fabjan, Bruder von Thomas Bernhard
Bekanntlich eröffnete Wieland Schmied seinem Freund Thomas Bernhard die Chance, mit Frost den ersten Roman zu veröffentlichen. Bekanntlich erschien dieser im Jahr 1963 im Insel Verlag und begründete dessen Prosakarriere.
Bekanntlich begleitete Anneliese Botond, Lektorin im Insel (und im Suhrkamp) Verlag, das Werk dieses Autors bis zum Jahr 1970.
Bekanntlich schätzte Bernhard Botond (»hier wäre allerhand Grundsätzliches über die ungeheure Qualität dieser Frau als Institution anzuschließen«).
Unbekannt ist, daß Anneliese Botond zwischen 1963 und 1970 mehr als 140 Briefe an Bernhard schrieb (die vermutlich wenigen Gegenbriefe von ihm haben sich nicht erhalten). Sie zeigen exemplarisch, welche Funktion einem kompetenten, auf die Manuskripte eingehend und zugleich Distanz wahrenden Leser, sprich in diesem Fall: Lektorin, für die Fertigstellung eines Buches zufällt.
Die Briefe erlauben Einblick in die allmähliche Entstehung eines Werkes beim Briefgespräch über das Manuskript. Hier ist zu erfahren, wie Amras sich nach und nach aus dem Typoskript herausschälte, welche Irritationen das erste Theaterstück Bernhards auslöste, wie und warum es zu Verstörung kam. Deutlich erkennbar wird: Eine funktionierende Beziehung Autor−Lektor setzt gegenseitiges Vertrauen voraus, also auch die Möglichkeit der Kritik an den Manuskripten; sie erfordert, daß der Autor sich in der Auseinandersetzung im Verlag, mit den Rezensenten und der größeren Öffentlichkeit, selbst bei sogenannten Privatangelegenheiten, auf den Rückhalt des Lektors verlassen kann. Auf diese Weise zeigen die Briefe von Anneliese Botond Bernhards Diktum, wodurch sie für ihn (und für andere Autoren) zur »Institution« wurde. Anneliese Botond (1922 – 2006), zweifache Doktorin, arbeitete seit Beginn der sechziger Jahre als Lektorin im Insel Verlag, ab 1963 zugleich als Lektorin im Suhrkamp Verlag.
Im Jahr 1970 schied sie aus dem Verlag aus, übersetzte weiterhin literarische und theoretische Texte aus dem Französischen und (vorwiegend lateinamerikanischen) Spanischen. 1984 erhielt sie den Johann-Heinrich-Voß-Preis für Übersetzungen.