Beschreibung
Fritsch, Gerhard
28.3.1924 geb.
22.3.1969 †
„Ich bin in mutiger Roman-Stimmung. Aber: Ich beneide Dich – denn du kannst Prosa schreiben – ich kann es nicht. Mir fehlt fast alles dazu! Ich kann sie nicht einmal mehr lesen.“
(Aus: Thomas Bernhard, Gerhard Fritsch: Der Briefwechsel S. 21)
„„Diese Publikation ist gewichtiger als das allermeiste, was sich auf den Bestsellerlisten und im Feuilleton tummelt, um Welten gewichtiger. Nein: um jene Welt gewichtiger, die die unsere ist, so wie sie beschrieben worden ist von Hans Lebert oder Thomas Bernhard, die zu verstehen unabdingbar ist für das Verständnis des Heutigen.““
(Aus: Rezension von Peter Natter)
Moos auf den Steinen, der erste Roman von Gerhard Fritsch (1924-1969), erschien im Frühjahr 1956. Er gilt als das Buch, in dem sein Autor zum Erben österreichischer Tradition avanciert: Der ehemalige k. u. k.-Offizier und Schloßbesitzer Baron Suchy-Sternberg und der jüdische Schriftsteller Lichtblau, heimgekehrter Emigrant, repräsentieren, als Komplementärfiguren, ein vergangenes, untergegangenes Österreich.
Im südlichen Marchfeld östlich von Wien steht das verfallende Schloß Schwarzwasser. Die Tochter des Barons, Jutta, ist mit einem erfolgreichen Schriftsteller verlobt, der das Schloß zum Schauplatz von Kulturwochen machen möchte. Sie verliebt sich jedoch in dessen Freund, einen jungen, erfolglosen Dichter, worauf die persönliche Tragödie ihren Lauf nimmt.
Das Schloß Schwarzwasser bildet den Anfang einer österreichischen Tradition innerhalb der Nachkriegsliteratur, die bis zu Thomas Bernhards Roman Auslöschung (1986) reicht. Die Anerkennung bei den zeitgenössischen Rezensenten war beachtlich und nahezu einhellig positiv. Solches Lob verkehrte sich − spätestens mit dem Erscheinen des zweiten Romans, Fasching, im Jahr 1967 − in Kritik am Umgang Fritsch mit diesem Thema: Galt Fasching als avancierte Abrechnung mit Österreichs Vergangenheit, insbesondere dem Zweiten Weltkrieg und dem Nationalsozialismus, so wurde Moos auf den Steinen als unmöglicher Syntheseversuch zwischen Tradition und Gegenwart der fünfziger Jahre abgelehnt.
Die Neuausgabe des seit langem vergriffenen Romans Moos auf den Steinen anläßlich des 90. Geburtstags von Gerhard Fritsch erlaubt, derartige (Vor-)Urteile zu überprüfen. Fest steht dabei: »Kaum eine Autorin oder ein Autor dieser Generation personifiziert durch Werk und Person so deutlich die Konflikte und Besonderheiten der österreichischen Literatur bis zum Ende der sechziger Jahre wie Gerhard Fritsch« −
so urteilte Wendelin Schmidt-Dengler 2005.
Gerhard Fritsch veröffentlichte ab 1947 Gedichte und Kurzgeschichten, 1951 erschien sein erstes Buch Zwischen Kirkenes und Bari; ab 1959 lebte er, nach seiner Zeit als Bibliothekar der Wiener Städtischen Büchereien, als freier Schriftsteller und Redakteur der wichtigsten österreichischen Literaturzeitschriften (er druckte Texte u. a. von Bernhard, Handke, der Wiener Gruppe, Jandl und Mayröcker), Herausgeber einschneidender Anthologien (Aufforderung zum Mißtrauen, 1967) und Außenlektor österreichischer Verlage sowie Jurymitglied
diverser Literaturpreise. Die Literatur und ihr Betrieb in Österreich verdanken Gerhard Fritsch in den zwei Nachkriegsjahrzehnten
Entscheidendes.