Bibliothek des bösen Geistes

Ich hatte mir in Wien als erstes, hatte ich zu Gabetti gesagt, eine Bibliothek angelegt, die alles das beinhalten sollte, auf das mich mein Onkel Georg als für einen sogenannten Geistesmenschen vordringlich aufmerksam gemacht hatte; schon in der kürzesten Zeit hatte ich, beinahe mein ganzes zur mir zur Verfügung stehendes Geld dafür ausgebend, die wichtigsten Bücher beisammen, mir selbst eine Bibliothek sozusagen des bösen Geistes zusammengestellt und es war selbstverständlich, daß ich bei Montaigne und Descartes, bei Voltaire und Kant angefangen habe. Schließlich hatte ich das Wichtigste für den Kopf, wie mein Onkel Georg immer wieder gesagt hat, zusammengestellt, hatte ich zu Gambetti gesagt, und das Zentrum war naturgemäß kein anderer als Schopenhauer gewesen. Ich hatte mir eine von mir sogenannte leicht bewegliche Bibliothek angeschafft mit den wichtigsten Werken des bösen Geistes, die ich ungehindert jederzeit überall mitnehmen konnte, so daß ich niemals ohne diese Bücher hatte sein müssen. Zuerst hatte ich mir die Philosophen angeschafft, die mir in Wolfsegg verwehrt worden waren, das tödliche Gift also, dann nach und nach auch die Werke unserer wichtigen Schriftsteller. Ich war bei diesen Anschaffungen nach dem genauen Plan vorgegangen, den mir mein Onkel Georg gezeichnet hatte, hatte ich zu Gambetti gesagt. Der erste Band, den ich mir gekauft habe, war Heinrich von Ofterdingen von Novalis gewesen, hatte ich zu Gambetti gesagt, der zweite, ich erinnere mich genau, die Kalendergeschichten von Johann Peter Hebel. Von da bis zu Kropotkin und Bakunin war es noch weit, hatte ich Gambetti gesagt, zu Dostojewski, Tolstoi, Lermontow, den ich über alles liebe.

Aus: Thomas Bernhard, Die Auslöschung