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Der Briefwechsel bei Perlentaucher.de

Auf der deutschen Seite Perlentaucher.de ist eine lesenswerte Rezensionsnotiz aus der FAZ vom 30.10.2013 zu finden.

Sensation! Thomas Bernhard war nicht immer Einzelgänger! So jedenfalls sieht es Hannes Hintermeier nach der Lektüre dieser von Raimund Fellinger und Martin Huber herausgebrachten Korrespondenz zwischen dem jungen Thomas Bernhard und dem älteren Schriftsteller Gerhard Fritsch. Die in 48 Briefchen ins Licht gerückten Anfänge Bernhards auf 108 Seiten für knapp 30 Euro lassen Hintermeier kurz über den Preis hoher Buchkunst und lang über die Schützenhilfe nachdenken, die der ältere Autor dem jüngeren gewährt. Förderer tauchen auf, staunt der Rezensent, Kontinuitäten, schließlich die ersten Preise, aber da kapselt sich Bernhard schon ab und Fritsch hängt sich auf.

Quelle: Perlentaucher.de

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diepresse.com blickt auf den Briefwechsel

Alfred Pfabigan blickt in Spectrum Literatur der Die Presse mit 6. September 2013 auf »Der Briefwechsel«:

Ansonsten geht es auf Bernhards Seite oft ums Geld und die eigene schriftstellerische Befindlichkeit. Im wohl wichtigsten Text des Bandes, einem Bekenntnisbrief von 1958, heißt es: „Es wird immer schwieriger, in der Literatur bleiben zu können. Man muss doch immer mit einem neuen Pferd in die ,Aschenbahn‘ jagen. Das Alte zieht nicht mehr recht, bei niemand. Auch das, was wir treiben, ist Theater. Vielleicht das größte. Und das ist zugleich das schwierigste.“

Fritsch wird in seinen Briefen und Karten kaum sichtbar, er schreibt: „Ich komm vor lauter Geschäften (unerfreulichen, aber notwendigen, da man von etwas leben muss) zu nichts Ordentlichem.“ Wenn die beiden sich über Literatur ausgetauscht haben, dann nur bei den raren persönlichen Begegnungen. In zwei bemerkenswerten Verlagsgutachten artikuliert Fritsch – bei aller Wertschätzung – Überraschendes zu Bernhards Frühwerk: Dessen Dichtungen litten an Egozentrik, dem Fehlen der Du-Beziehung und des Wir-Gefühls und an modischen Unarten und koketten Nihilismen.

Bernhard habe vorgelebt, was Fritsch sich nicht zugestand, so die begründete Spekulation der Herausgeber im Nachwort. Man möchte ergänzen: Und Fritsch hat vorgelebt, was Bernhard zunächst bewunderte und dann verwarf – zum Nutzen seines Werkes.

Quelle: diepresse.com

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Medienecho zu KALKWERK anläßlich der Biennale Salzburg

Helmut Oehring – Textbuch Albert Lang, Irene Rudolph
KALKWERK
Musiktheater nach Thomas Bernhard, Das Kalkwerk
Uraufführung: 14.2.2013 Radialsystem Berlin
Gastspiel Biennale Salzburg: 7. März 2013

Das gleichnamige Textbuch mit Ausschnitten aus der Partitur, Interviews und weiteren Materialien erschien im Februar dieses Jahres im Korrektur Verlag.

Medienecho:

Buchkritik: Thomas Bernhards >Kalkwerk< als Libretto
Das Textbuch stammt von Albert Lang und Irene Rudolf, Mitgliedern des Theater- und Performancekollektivs Parallelaktion, und ist gemeinsam mit einem Gespräch des Produktionsteams, Auszügen aus der Partitur und zwei weiteren Texten aus der Entstehungszeit des Romans (der Büchner-Preisrede von Günter Blöcker und einer Rezension Urs Widmers aus der FAZ) in einer schönen Ausgabe im neu gegründeten österreichischen Korrektur-Verlag erschienen. [….]
Dass der Leser bei der Lektüre des Librettos den Überblick nicht verliert, ist der typographischen Gestaltung des Textes zu verdanken: Alle gesprochenen Partien sind in parallel angelegten Spalten abgedruckt, sodass nicht nur der Sprecherwechsel markiert ist, sondern auch der Zeitpunkt, an dem eine neue Sprechpassage beginnt: zeitversetzt, gleichzeitig oder abwechselnd. In der ersten Spalte wird die Szene erläutert, in der letzten befinden sich die gesprochenen Texte der Musiker, in den vier mittleren Spalten diejenigen der Schauspieler. Auszüge aus der Partitur geben weniger einen Einblick in die Kompositionsweise des Gesamtwerks als vielmehr in die Verarbeitung von textlichem und musikalischem Material. [….]
Die Edition des Korrektur-Verlags arbeitet aber nicht nur aus Sicht der Librettoforschung vorbildhaft, sondern erleichtert jedem Leser den Zugang zu einer neuen Bernhard-Vertonung durch die mitabgedruckten Produktions- und Rezeptionszeugnisse. Das ist der richtige Weg, sich mit dem zeitgenössischen Musiktheater lesend auseinanderzusetzen und nicht zuletzt mit Thomas Bernhard.

Bernd Zegowitz, faustkultur.de

… als hätte plötzlich auch die Stille eine Tonart.
… Diese radikale Auseinandersetzung mit dem Gehör muss dem Musiktheater zugleich Verlockung und Wagnis sein; die Schrauben der Selbstreflexion sind erheblich eng angezogen. In der Konzentration der Form gelang es Helmut Oehring und dem Regisseur Albert Lang die Schärfung des Gehörs sowohl in die Präzision als auch in den Zweifel hinein zu bewegen. […] Der dunkle Flor der Klangflächen, eine langgestreckte Litanei mit offenem Ende, erschloss sich durch die Finessen der Artikulation und das hoch routinierte Zusammenspiel als Experiment und Analyse ohne Ende. In dem Grade, in dem die Musik als Klangsprache gestisch wurde, wurden die Atem- und Bewegungsgeräusche der Schauspieler rhythmisiert. Die maximale Anspannung des Gehörs, die das Stück in den Abgrund führt, sollte den Aufschluss bringen. Die Selbstreflexion des Materials, der Partitur und ihrer Realisierung nahmen, so schien es, an der katastrophischen Dynamik des Ungenügens teils – und entlang des alten Theaterparadoxes wurde das durch die Qualität der künstlerischen Ausführung zu einem Genuss für die Zuhörer. [ …] Aus dem Kopf heraus: Da war sie, die Brutalität des Intellekts, an die nichts heranreicht, und ihr Verlöschen. Schuberts Meditation geriet zu einer Chiffre der Stille, in der Tod und Erlösung als Ende zusammenfallen und zugleich ein Ende jener Gier nach Bedeutung und Symbol aus dem Kopf heraus aufhört. Da war sie, die Tonart der Stille.
Tobias Roth, magazin Klassik.com, 14.2.2013

Mittels Dehnung, Raffung und Verzerrung bekannter Musik wie Schuberts Quartett „Der Tod und das Mädchen“ und seinem Streichquintett in C-Dur manipuliert Oehring effektvoll die Gefühlswelt seines Publikums. Die melodramatische Schichtung von erschütternden Zitaten Konrads vermittelt eine traurige Ahnung von dessen tiefer innerer Not, die ihn zum Mörder werden ließ.
Barbara Eckle, Der Tagesspiegel, 16.2.2013

Aus den Klangflächen, den mitunter rhythmisch pochenden, dann wieder nah am Unhörbaren flimmernden, schält sich Schubert heraus, zerdehnt oder eruptiv zerstückelt, etwa „Der Tod und das Mädchen“. Als Kommentar zum Scheitern des Mannes, der nie seine Studien niederschrieb, sondern nur im Kopf zu haben meinte: „auf dem Konzentrationshöhepunkt ist mir immer alles zerfallen“.
Inforadio rbb 15.2.2013

„Kalkwerk“ ist höchst professionell gemacht. Irene Rudolf und Albert Lang haben den Text effektvoll eingedampft und produzieren auch Lacher, die im Halse stecken bleiben. Albert Lang hat mit dem Parallelaktion-Team zeitgeistiges Theater höchster Qualität gemacht. […]
Am Ende bleibt große Kälte. Und der Wunsch, sich wieder einmal intensiv mit Schubert und Bernhard pur zu befassen.
Gottfried Franz Kasparek, DrehPunktKultur, 14.3.2013

Was im Kopf so vorgeht
.. wie im „Kalkwerk“ jener seltsame Konrad, der seine lebenslangen Erforschungen des „Hörens“ nicht „aus seinem Kopf“ herausbringen kann und die Niederschrift seiner Studien verweigert. Unweigerlich fällt einem dabei jenes „Live in your head“ der Pop-Art ein. Die Realisierung von Kunst im Werk wird durch die innere Imagination ersetzt. Kunst transzendiert gleichsam, sie verwandelt sich in reine Spiritualität, also in das, was heutigen Kunsthervorbringungen oftmals fehlt.
Beeindruckend, wie Oehring auch in diesen beiden neuen Werken dem Thema „Transzendenz“ nicht ausweicht. Er setzt sich den Figuren auf die Spur, dringt in sie ein, stellt sie in einer Art hofmannsthalischer „Verwandlung“ auf die Szene. Dabei entstanden fast zwangsläufig Schwierigkeiten. Beim „Kalkwerk“ ist es Bernhards komplexe, oft verschachtelte Sprechpartitur mit ihren periodischen Repetitionen von Worten, Wortgruppen und wechselnden Tonlagen. Sprache, komponiert wie Musik: Man erinnert sich an Tardieus „Sonate für drei Herren“. Dieses Sprechkunstwerk in eine adäquate Musik-Gestalt zu übertragen erfordert so etwas wie die Quadratur des Kreises.

Gerhard Rohde, FAZ, 14.3.2013

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Der Briefwechsel – Auszüge in diepresse.com

In der Ausgabe vom 9. März 2013 veröffentlicht Die Presse einige Auszüge aus »Der Briefwechsel« im Spectrum Literatur.

Obernathal 26. 6. 1966
Lieber Gerhard,
ich habe, weil ich gar so schnell nachhaus wollte, bei Melk eine Autopanne gehabt und bin drei Tage in Kilb bei Mank, das Dir kein Begriff sein wird, gewesen, zuschauend, wie ein sehr guter Mechaniker mein Auto (die Kupplung war aufeinmal total kaputt) völlig auseinandernimmt und wieder zusammensetzt, nachdem Teile aus Wien geholt haben werden müssen.
Die Ironie will es, daß ich gerade jetzt, wo ich jeden Groschen auf den Knien bitte, bei mir zu bleiben, zusätzliche Tausende an das Phantom des Technischen Zeitalters zu zahlen habe.
Es ist alles zum Lachen und wird mich nicht umbringen. Natürlich habe ich das Romanstück nicht schicken können, weil ich nur zwei Nachtstunden vor München in Nathal gehabt habe. Aus München habe ich nichts als schauerliche Eindrücke mitgebracht. Eine Seminararbeit über Amras, die mir am besten Gefallen hat, habe ich für die Zeitschrift bei Moissl gelassen, der schickt sie nach Wien, sie hat ihm gefallen.
Aber für September suche ich ein gutes Kapitel aus dem Roman aus [„Verstörung“, „Literatur und Kritik“ 1966, Heft 6].
Lieber Gerhard, sei wie Du bist und bleib so, manche Schwäche – Du weißt, was für welche! – verzeih ich Dir, weil ich Dich so gut kenne, wie Du mir ja auch die meinigen läßt.Deinem Georg sag meinen Dank für die Sympathie, die er für mich übrig hat, ich erwidere derartiges auf die ungeschickteste Weise. Ich hab einen großen Schwung und die Resignation ist durch die kalte deutsche Intellektuellendusche (Deutschland als Kornkammer des perversen Stumpfsinns betrachtet) dahin.
Servus, bleib nicht stumm
Thomas

Quelle: diepresse.com